Die Effizienz-K.I.llusion

Die Leistungsfähigkeit aktueller KI / LLMs ist zweifellos beeindruckend. Bilder generieren, Daten auswerten, Texte schreiben, Übersetzungen erstellen, Texte oder Videocalls zusammenfassen, Code generieren etc. Die Liste ist schier endlos.

Und überall liest man, dass Leute ihre Produktivität durch KI drastisch erhöht haben. Gleichzeitig ließ sich ein solcher Performance-Gewinn durch Studien bisher (Mai 2025) anscheinend nicht nachweisen. Es werden allenfalls kleinere Produktivitätsgewinne festgestellt, wie z. B. in dieser Studie.

Kann beides wahr sein?

Output vs. Outcome

Wenn wir beeindruckt von der Leistungsfähigkeit von KI sind, dann basiert das meist auf der Beobachtung des Output (Ergebnis) und nicht des Outcome (durch das Ergebnis erzielte Wirkung). KI liefert viel und oft guten Output. Daraus resultiert nicht automatisch viel und guter Outcome.

Damit KI-Output in der Arbeitspraxis verwendet werden kann, muss der Input (Prompts und Daten) stimmen und der Output muss von Menschen überprüft werden (jedenfalls, wenn die Qualität wichtig ist). Dadurch entstehen zwei Zusatzaufgaben, die vorher nicht existierten. Diese Zusatzaufgaben kosten natürlich auch Zeit und können den Effizienzgewinn durch den KI-generierten Output wieder vernichten.

Gezielter KI-Einsatz

Daher ist es wichtig, KI gezielt dort einzusetzen, wo echter Nutzen entsteht. Und das braucht Klarheit, was mit Nutzen überhaupt gemeint ist. Geht es darum, Kosten zu sparen, Kapazität für wichtigere Aufgaben zu generieren, Durchlaufzeiten zu reduzieren oder irgendwas anderes?

Kosten sparen

Für eine Kosten-Nutzen-Betrachtung müssen die Aufwände für Input-Erstellung und Output-Kontrolle mit betrachtet werden und eine isolierte Individualbetrachtung hilft nicht weiter. Wenn ich durch KI die Aufwände meiner Arbeit um 20% senke, habe ich damit ja noch keine Kosten gespart – mein Arbeitgeber zahlt immer noch mein volles Gehalt. Die Kosten sind sogar gestiegen, weil die KI-Lizenzkosten auch noch bezahlt werden müssen.

Die Kosten sinken erst, wenn es zehn Stück von meiner Sorte gibt und wir durch die 20%-Arbeitsersparnis zwei meiner Sorte entlassen können.

Eine Arbeitsersparnis auf individueller Ebene kann aber durchaus sinnvoll sein, um Kapazität für andere Aufgaben zu generieren (siehe nächster Abschnitt).

Kapazität generieren

Wenn ich individuell durch KI meine Arbeit z. B. um 20% effizienter erledige, habe ich 20% zusätzliche Kapazität, in der ich mich um andere Dinge kümmern kann. Vielleicht gewinne ich so die Zeit, endlich mal über meine Arbeit zu reflektieren, Beziehungen zu Kolleg:innen zu pflegen oder das Innovationsprojekt zu verfolgen, das bisher immer liegen geblieben ist.

Damit das funktioniert, muss es natürlich in der Gesamtbetrachtung eine Einsparung geben: Aufwand für KI-Input und Aufwand für Output-Kontrolle und Nacharbeiten muss unter dem bisherigen Aufwand liegen.

Wenn ich die gewonnene Zeit allerdings nur nutze, um eine weitere langweilige Excel-Tabelle auszufüllen, deren Sinn ich nicht verstehe, würde ich vorsichtig sein. Vermutlich wäre es sinnvoller, an einer besseren übergreifenden Arbeitsorganisation zu arbeiten als sinnlose Tätigkeiten etwas effizienter durchzuführen.

Durchlaufzeiten reduzieren

Ich benutze immer mal wieder KI-generierte Bilder für Vorträge. Ich könnte die Bilder auch von einer Designerin gestalten lassen. Das wäre etwas teurer, kostet aber auch nicht die Welt. Ich benutze KI zur Bildgenerierung aber nicht, um Kosten zu sparen, sondern um Durchlaufzeiten zu senken. Bei der Bild-Generierung bekomme ich binnen Sekunden das Ergebnis. Ich brauche i.d.R. ein paar Iterationen, so dass ich das passende Bild innerhalb weniger Minuten habe. Das ist deutlich schneller als die Zusammenarbeit mit einem Designer – mit dem ich auch meist mehrere Durchläufe brauche. Hier hilft mir KI als, die Durchlaufzeiten zu senken.

Ich generiere aber nur einen Bruchteil der Bilder für Vorträge über KI, weil…

  • … die KI-generierten Bilder sich dann doch vom Stil her ähneln und zuviele KI-generierte Bilder in Vorträgen eine sehr sterile Stimmung erzeugen können.
  • … Standard-Bilder über Stockphotos genauso schnell in besserer Qualität bezogen werden können.
  • … Designer stimmigere und kreativere Lösungen finden, wenn es wirklich drauf ankommt.

Anders verhält es sich für mich bei Text. Viele Leute sagen, dass ihnen KI beim Schreiben hilft. Das kann ich bei mir nicht beobachten. KI fürs Schreiben zu benutzen, unterbricht meinen Flow und verlängert die Durchlaufzeit. Allenfalls lasse ich die KI am Ende einmal über den Text gehen und Verbesserungsvorschläge machen. Die überzeugen mich dann aber oft nicht. (Das heißt nicht, dass meine Texte bereits perfekt wären. KI ist einfach nicht mein Weg, um sie zu verbessern.)

Let’s Play

Unabhängig vom angestrebten Nutzen ist die Voraussetzung, dass man KI ausreichend gut beherrscht. Dazu muss man viel experimentieren – ohne unmittelbare Kosten-Nutzen-Rechnung. Nur so kann man ein Gefühl dafür entwickeln, was wie gut funktioniert und wo Grenzen liegen.

Auf Basis unseres aktuellen Erkenntnisstandes können wir dann immer wieder neu bewerten, wodurch welcher Nutzen entstehen kann.

Tiefer einsteigen

Unsere Schulung „KI für Führungskräfte, Produktmenschen, Scrum Master, Coaches…“ führt in die Grundlagen aktueller KI ein und hilft dabei, herauszufinden, wo sie für die Teilnehmenden einen echten Nutzen haben kann: https://www.it-agile.de/schulungen/agile-skills/ki-fuer-den-alltag/

Über den Autoren

„Wir müssen immer wieder das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“ H. Hesse

E-Mail: stefan.roock@it-agile.de

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/StefanRoock/

Mein Name ist Stefan Roock und ich will eine bessere Arbeitswelt schaffen; eine in der Kunden von den Produkten und Services begeistert sind, Mitarbeitende ihre Arbeitsbedingungen lieben, Unternehmen erfolgreich sind und sich verantwortlich in der Gesellschaft verhalten. Ich helfe Menschen und Unternehmen dabei, ihre Potenziale für dieses Ideal zu entfesseln.

Ich verbreite und entwickle seit 1999 neue Arbeits- und Organisationsansätze in Deutschland. Das habe ich zunächst als Entwickler in agilen Teams, später als Scrum Master/Agile Coach und Product Owner getan. Ich habe seitdem mein Verständnis dessen, was für begeisternde Produkte und Arbeitsbedingungen notwendig ist, kontinuierlich weiterentwickelt. Besondere Produkte entstehen nicht dadurch, dass Teams „agil“ Anforderungen umsetzen. Stattdessen müssen Teams gemeinsam im direkten Kundenkontakt Produkte und Services gestalten.

Auf diesem Weg habe ich unter anderem die it-agile GmbH mitgegründet.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Die Effizienz-K.I.llusion“

  1. […] vor Unwägbarkeiten. Es ist nicht klar, wem KI wobei tatsächlich helfen kann (siehe dazu auch die Effizienz-K.I.llusion). Und es ist auch nicht vorab klar, was KI für ein vorliegendes nicht-triviales Problem überhaupt […]